Strukturelle Integration oder "Rolfing", ist eine komplementär-medizinischen Behandlung die von Ida Pauline Rolf (19. Mai 1896 - 19. März 1979), einer US-amerikanischen Biochemikerin, ins Leben gerufen wurde.

Vorgehen

Rolfing wird in der Regel als eine Serie von 10 praktischen körperlichen Übungen durchgeführt, mit einer Dauer von jeweils 50 bis 90 Minuten, die auf einen Zeitraum von durchschnittlich 3 Monaten verteilt werden.

Die ersten 3 Sitzungen konzentrieren sich auf das oberflächlichen Gewebe, die nächsten 4 auf die tieferen Gewebe und insbesondere das Becken, und die letzten Sitzungen befassen sich mit dem gesamten Körper.

Der Klient trägt Unterwäsche. Zu den Positionen gehören Liegen auf einem Tisch, Sitzen und Stehen.

Rolfing-Behandlungen sind manchmal schmerzhaft. Bei Erwachsenen kann es Momente intensiver Empfindung während einer Behandlung oder Schmerzen nach der Behandlung geben. Die Technik kann jedoch auch schonend für Kinder und ältere Menschen durchgeführt werden. Rolf war der Ansicht, dass sich die Faszien als Schutzmechanismus straffen und daher ein aggressives Vorgehen kontraproduktiv ist.

Theorie

Innerhalb jeder Sitzung analysiert der Rolfer die Körperhaltung und Struktur im Stehen und Gehen. Anschließend erfolgt die manuelle Behandlung auf der Liege, der sich auch Behandlungselemente im Sitzen, Stehen oder in der Bewegung anschließen können. Optimierung von Alltagspositionen und das Erarbeiten neuer, ökonomischer Bewegungsoptionen ergänzen die Sitzungen.

Das Verfahren wird häufig im Bereich der Gesundheitsvorsorge eingesetzt. Hier geht es vor allem um eine Optimierung der Körperhaltung und um freiere Beweglichkeit. Es kann behandelnd angewendet werden bei (myo-) faszialen Dysfunktionen, chronischen Schmerzzuständen wie Rückenschmerzen, sowie bei Fehlhaltungen und strukturellen Veränderungen infolge von Verletzungen und Unfällen.

Es basiert auf Rolfs Ideen darüber, wie das "Energiefeld" des menschlichen Körpers profitieren kann, wenn es auf das Gravitationsfeld der Erde ausgerichtet ist. Praktizierende Therapeuten kombinieren oberflächliche und tiefe manuelle Therapie mit Bewegungsaufforderungen.

Es gibt keine allgemein anerkannten Beweise dafür, dass Rolfing wirksam ist. Es ist nicht bekannt, ob Rolfing sicher ist.

 


 

Einheit

Das Anliegen von Ida Rolf war die Entwicklung des gesamten Menschen. Körper, Seele, Geist, die sogenannten spirituellen Aspekte und auch der Umraum des Menschen bildeten für sie eine unauflösliche Einheit:

„Wir sind noch nicht wirklich aufrecht, wir sind erst auf dem Weg zu einem aufrechten Sein. Dies ist eine meta-physische Erwägung. Eine der Aufgaben eines Rolfers besteht darin, diesen Prozess zu beschleunigen. Wir wollen dem Menschen aus dem Zustand heraushelfen, in dem die Schwerkraft sein Feind ist. Wir wollen ihm dabei helfen, dass die Schwerkraft ihn stärkt und zum Freund wird, einer nährenden Kraft.“

Gleichgewicht

Eine Erweiterung erfuhr ihre Tätigkeit im Rahmen ihrer Studien bei dem Semantiker Korzybski. Ihre Erfahrung lehrte sie, dass Symptome von alleine verschwinden können, wenn der Organismus mehr in sein Gleichgewicht kommt.

“So viele Menschen bekämpfen das Krankheitsmuster, statt das Gesundheitsmuster zu unterstützen. Etwas, was Sie als Rolfer immer betonen müssen, ist, dass Sie keine Krankheiten heilen; Sie aktivieren Gesundheit. Das ist möglich, wenn Sie das Strukturbild des gesunden Zustands verstehen. Wenn Sie die Struktur eines Menschen in Übereinstimmung mit dem gesunden Bild bringen, erreichen Sie Gesundheit.

... Rolfer aktivieren Gesundheit.
... Sie sind Spezialisten für Gesundheit, nicht für Krankheiten.
... Dies macht Rolfer zu einer neuen Art von Therapeuten. Und das wird die Menschen ganz anders anregen - sie richten ihre Aufmerksamkeit auf die bessere Ausgestaltung von Geist und Körper.”

Schwerkraft & Körper

Die Körpersegmente lassen sich über das Bindegewebe so zu einer optimaleren Gesamtstruktur im Sinne einer „aufrechten Haltung“ anordnen, der jedem Menschen innewohnenden Idealstruktur.
Der Körper hat eine Beziehung zum Schwerefeld der Erde, das ständig auf ihn einwirkt. Die Schwerkraft sollte durch die Mitte des Körpers fließen, so dass sie sein eigenes kleineres Energiefeld stärkt und ihn aufrichtet, statt ihn zusammen zu drücken. Die Beziehung zur Schwerkraft sah Ida Rolf als Schlüssel zur Entwicklung des Menschen:

„Der eine mag seinen verlorenen Kampf mit der Schwerkraft als scharfen Schmerz im Rücken empfinden, ein anderer als ein wenig schmeichelhaftes Aussehen seines Körpers, wieder ein anderer als ständige Müdigkeit und Stress und noch jemand als ständig bedrohliche Umwelt. Diejenigen, die über vierzig sind, mögen es Alter nennen – all diese Signale können aber auch auf ein einzelnes, bzw. einziges Problem hindeuten: der Körper ist außer Balance geraten. Er ist im Konflikt mit der Schwerkraft.“

Yoga

Ida Rolf war fasziniert von der Grundannahme des Yoga, dass körperliche Entwicklung auch Seele und Geist positiv beeinflusst. Yoga ermöglichte ihr zu erfahren, dass der Mensch ein untrennbares Ganzes ist, dessen Potential sich über den Körper entfalten lässt.

Bereits Anfang der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts studierte sie Hatha Yoga und Tantra bei Pierre Bernard, als östliche Philosophie und Praxis noch alles andere als modern und gesellschaftlich akzeptiert waren.

Körper verkürzen sich als Kompensation von körperlichen Verletzungen oder Entwicklungsproblemen. Sie brauchen daher Länge und Ausgewogenheit:
Die extrinsische, d.h. die Skelettmuskulatur muss gedehnt und gelöst werden, um die tiefer liegende intrinsische Muskulatur von der Überlagerung durch die extrinsischen Muskeln zu befreien. Für Ida Rolf war die Tätigkeit der intrinsischen Muskulatur, also die Bewegung von innen heraus, wie sie z.B. östliche Kampfkünste entwickeln, ein Gradmesser auch der seelisch-geistigen Reife.

„Hauptsächlich in der extrinsischen Muskulatur zu leben, charakterisiert die ganz Jungen; es ist ein Merkmal der Unreife. Es scheint, als würde man unreif bleiben, solange man hauptsächlich die extrinsischen Muskeln benutzt. Vielleicht wird man reif, wenn man die intrinsische Muskulatur hinzu nimmt und beide ins Gleichgewicht bringt. So sieht es jedenfalls aus, wenn man mit Kindern arbeitet.“

Das Studium der Homöopathie lehrte sie, den Körper als die leibgewordene Geschichte eines Menschen zu betrachten, schichtweise von außen nach innen vorzugehen und die Selbstheilungskräfte im Menschen anzuregen, statt äußerlich Symptome beseitigen zu wollen.

Zahlreiche weitere Anregungen stammen aus der Osteopathie, von Gurdjieff/Ouspenky, anderen Bewegungsschulen und vor allem aus ihrer jahrzehntelangen praktischen Erfahrung.

Seit Anfang der 1940er Jahre arbeitete sie mit Menschen, die von ihr gehört hatten und Hilfe suchten. Anfangs verwandte sie nur Yoga-Übungen. In Verbindung mit den von ihr erkannten Prinzipien kristallisierte sich daraus schließlich ihr eigener Ansatz, den sie Strukturelle Integration nannte, eine Verbindung zwischen Manipulation und Übungen. Schließlich entwickelte und lehrte sie eine geniale Folge von 10 Sitzungen, in denen das Bindegewebe systematisch ausgeglichen wird mit dem Ziel, den Menschen ins Lot zu bringen, d.h. in eine angemessenere Beziehung zu sich selbst und zur Schwerkraft.

Rolfing lässt sich als eine Art beschleunigter Yoga-Kurs ansehen, der Körper, Seele und Geist in der Gegen- wart verbindet. Dieses System zur Entfaltung des menschlichen Potentials wurde und blieb für sie die Basis ihrer Arbeit. Mit etwas ironischer Kritik bezeichnete man die nach ihr benannte Therapie auch als “instant yoga”.

Rolf Institut

Eine neue Dimension eröffnete sich durch die Zusammenarbeit mit Fritz Perls, dem „Vater der Gestalttherapie“, der sie bat, nach Esalen zu kommen und ihm zu helfen. Perls hatte in Wien als Psychiater bei Sigmund Freud studiert und war zum Pionier der humanistischen Psychologie geworden. Er sah in Ida Rolfs Arbeit den idealen Weg, unbewusste Muster im Körper zu lösen, damit sie gefühlt, ausgedrückt und in der Gegenwart freigesetzt werden konnten.

Esalen war in den 60er Jahren die Hochburg des Human Potential Movement. Das kreative Umfeld erleichterte die gegenseitige Befruchtung unterschiedlicher Ansätze. Dort traf ihre Arbeit auf einen fruchtbaren Boden und wurde begeistert aufgenommen.

1970 wurde die „Guild of Structural Integration“ ins Leben gerufen und 1973 in „Rolf Institute of Structural Integration“ umbenannt. Es dient der Ausbildung, kontinuierlichen Weiterbildung und Forschung sowie als Organisation der zertifizierten Rolfer.

Ida Rolf

Rolf wurde im Stadtteil Bronx (New York) geboren. Sie besuchte die Schule „Barnard College“, ein privates College für Frauen in Manhattan.

Im Jahr 1920 erhielt Rolf ihren Doktortitel in biologischer Chemie unter der Aufsicht von Phoebus Aaron Theodore Levene vom "Columbia University College of Physicians and Surgeons" (New York). Ihre Dissertation trug den Titel "Three Contributions to the Chemistry of the Unsaturated Phosphatides" (Drei Beiträge zur Chemie der ungesättigten Phosphatide), die ursprünglich in drei separaten Ausgaben des "Journal of Biological Chemistry" gedruckt wurde.

Die nächsten Jahre arbeite sie weiter mit ihrem Doktorvater am Rockefeller-Institut. 1926 nahm sie ein Sabbatical, um Mathematik und Atomphysik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich sowie Biochemie am Institut Pasteur in Frankreich zu studieren. Zwischen 1919 bis 1927 veröffentlichte sie (u.a. als Co-Autor) 16 wissenschaftliche Artikel in anerkannten Fachzeitschriften.

Etwa 14 Jahre (was genau sie in diesen Jahren tat, liegt etwas im Dunkeln), nachdem ihr letzter wissenschaftlicher Artikel zur Veröffentlichung eingereicht worden war, um 1940, sah sie ihren ersten Klienten, einen Klavierlehrer aus der Bronx.

Sie entwickelte dann im Lauf der Jahrzehnte die „Strukturelle Integration“ und veröffentlichte später 3 Arbeiten in wissenschaftlichen Zeitschriften über die Methode.

  1. 1973 Structural Integration - Contribution to understanding of stress, Confinia Psychiatrica
  2. 1978 VERTICAL - Experiential Side to Human Potential, Journal of Humanistic Psychology
  3. 1979 Rolfing: Reestablishing the Natural Alignment and Structural Integration of the Human Body for Vitality and Well-Being, Healing Arts Press

Literatur

    Neben Artikeln in Zeitschriften sind auch Bücher über Rolfing erschienen:


    Rolf, Ida: Rolfing – Strukturelle Integration – Wandel und Gleichgewicht der Körperstruktur, Hugendubel Verlag, München 1989

    Rolf, Ida: Rolfing im Überblick, Physische Wirklichkeit und der Weg zu körperlicher Balance, Junfermann-Verlag, Paderborn 1993

    Brecklinghaus, Hans Georg: Rolfing – Was es kann, wie es wirkt und wem es hilft, Lebenshausverlag, Freiburg 1999

    Brecklinghaus, Hans Georg: Die Menschen sind erwacht, du hast sie aufgerichtet – Körperstruktur und Menschenbild in der Kunst des alten Ägypten und heute, Lebenshausverlag, Freiburg 1997

    Brinkmann, Manuela: Unterwegs zur Vollkommenheit; Rolfing und NLP – Körper und Geist, Junfermann Verlag, Paderborn 1989

    Flury, Hans: Die neue Leichtigkeit des Körpers, dtv, München 1995

    Johnson, Don: Wie der Körper des Protheus – Rolfing und die menschliche Flexibilität, Synthesis Verlag, Essen 1980

    James L. Oschman: Energy Medincine - The Scientific Basis,
    Churchill Livingstone, 2000

    James L. Oschman: Energy Medicine in Therapeutics and Human Performance, Butterworth & Heinemann, 2003

    Schwind, Peter: Alles im Lot – Eine Einführung in die Rolfing-Methode, Irisiana Verlag, München 2001

    Stephen Wolinsky: Das Tao des Chaos, Verlag Alf Lüchow, Freiburg i.Br. 1996. Auf den Seiten 329 - 336: ein Artikel über Rolfing von Jan Sultan

    Video: Rolfing – Grundkonzepte der Methode und Behandlungsbeispiel, European Rolfing Association, München

Siehe auch: Rolfing, Quanten Bewusstsein und Bindegewebe als Kontinuum.

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